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Die 1980er Jahre-Bewegung verlangte bekanntlich freie Sicht aufs Mittelmeer. Aber in der Schweiz stehen nun mal die Berge dazwischen. Aus der freien Sicht wurde also nichts – aber die Schweizer Ohren erlebten in Folge des Aufbruchs der 80er Jahre eine grossen Befreiung. Im Umfeld von Punk und Rebellion entstand in vielen Städten der Schweiz eine lebendige und radikale Musikszene, die es auch heute, 30 Jahre später, immer noch gibt: Zwischen den Eckpfeilern Noise, Industrial und Free Music etablierten sich zahlreiche Performer, die ihre radi­­kale Musik mittlerweile in die ganze Welt ex­portieren – als Schweizer Kulturgut.

Sonic Mountains will einen Blick werfen auf 30 Jahre Schweizer Underground, und hat deshalb fünf für uns wichtige Exponenten eingeladen – auch jüngere.

Programm:

20:00 Uhr «M.R. – Nachts träumte er
von enormer Lautstärke»
(Dok-Film von Lisa Gertsch über Mike Reber)

21:00 Uhr Vague
21:45 Uhr [sic]
22:30 Uhr Norbert Möslang
23:15 Uhr Pendulum Nisum
00:00 Uhr Sudden Infant

Danach: DJ Fish & Fish

Sudden Infant
Seit 1986 arbeitet Joke Lanz als Noise-­Musiker, Performance- und Klangkünstler, tritt solo und in verschiedenstens Formationen auf und arbeitet für Theater- und Tanzprojekte. Improvisatoren wie Christian Marclay, Shelley Hirsch, Bruno Amstad, Hans Koch oder Martin Schütz stehen genauso auf der Liste seiner Kollaborateure wie die grossen Namen der internationalen Noise-Szene: Daniel Menche, Z’ev, Aube oder The New Blockaders.

Sudden Infant entstanden 1989 aus dem An­trieb heraus, Klangkunst und Performance miteinander zu verbinden. In die Auftritte fliessend immer wieder Fragmente aus Dada, Aktionismus, Fluxus, Noise und Punk ein. Der Gebrauch von minimalem Equipment sowie die pure, reduzierte Essenz des Körpers und der daraus entstehenden Klangwelt, sind die Eckpfeiler seiner Perfor­mances. Das Ausloten akustischer und physischer Elemente, die Reduzierung auf das Wesentliche, ergibt eine sehr spannungsvolle Bühnenästhetik und sprengt die Grenzen zwischen Noise, Performance, Impro und Elektronik.

Kürzlich hat der norwegische der Verlag «Marhaug Forlag» das Buch «Noise in My Head – The Actionis­tic Music and Art of Joke Lanz» veröffentlicht.

Pendulum Nisum (Mike Reber & Reto Mäder)
Mike Reber aus Bern ist als Schauspieler, Per­formance-Artist und seit kurzem als Doku-Film-Sujet bekannt. Seit bald 30 Jahren arbei­tet der begeisterte Geräuschesammler an seiner Vision einer bedrohlich-schönen Musik, anfänglich als OP Rechts, seit 1995 als Teil der Band Herpes Ö DeLuxe. Ende 2010 erschien nun eine musikalische Zusammenarbeit mit dem Berner Musiker Reto Mäder (RM74, Ural Umbo, Sum Of R) unter dem Namen Pendulum Nisum. Dabei handelt es sich eigentlich um ein reines Studioprojekt, welches für «Sonic Mountains» nun erstmals eine Live-Aufführung erlebt. Komplex strukturierte Instrumentalsounds und ausgefeilte Studiotechnik treffen auf Reber’s jahrelang akribisch gesammelte Feldaufnahmen.

Kürzlich ist der Dok-Film «M. R. – Nachts träumte er von enormer Lautstärke» von Lisa Gertsch fertiggestellt worden. Dieser wird als Einstieg des Abends zum zweiten Mal öffentlich vorgeführt.

Norbert Möslang
Norbert Möslang aus St. Gallen ist durch sein Instrumentarium bekannt geworden. Er improvisiert mit «geknackter» Alltagselektronik, indem er in die Schaltkreise von Alltagsgegenständen eingreift und sie neu zu Musikinstrumenten umfunktioniert. Möslang spielte fast 30 Jahre im Duo mit Andy Guhl (Voice Crack), dann aber auch mit Borbetomagus, Jim O’Rourke, Otomo Yoshihide, Keith Rowe, Carlos Zingaro, Irène Schweizer, Oren Ambarchi und anderen. Für sein Soundtrack zu Peter Liechtis Dokumentarfilm «The Sound Of Insects (Das Summen der Insekten)» gewann er 2010 den Schweizer Filmpreis .

[sic]
Jen Morris stammt aus Montréal und lebt in Lausanne. Die Sound-Artistin und Produzentin arbeitet vornehmlich mit analogen Sounds, welche sie durch veschiedene akustische Prozesse in schwebende, wenn auch nie hintergründig ambiente Klänge verwebt, eine Soundlandschaft «in which one can either bathe, exercise, or make love», wie sie selber sagt. Ihre musikalischen Mitstreiter stammten bisher trotzdem eher aus der Noise-Ecke: Lasse Marhaug, Alan Courtis, Roughage, um nur ein paar zu nennen.

Vague (Kiko C. Esseiva & Scillia Lorage)
Kiko C. Esseiva aus Lausanne arbeitet im Gebiet der sogenannten Musique Concrète, eine von Pierre Schaeffer und Pierre Henry erschaffene und von Komponisten wie Luc Ferrari oder Michael Chion perfektionierte geräuschhafte Randerscheinung der zeitgenössisch komponierten Musik. Musique Concrète meint – keine Instrumentalstimmen, sondern Musik erschaffen mit konkreten Geräuschen, solchen deren Ursprung keine musikalischen Absichten hatten. Dies klingt strenger und trockener als die resultieren­den Erzeugnisse sind. Gerade Esseiva schafft, wie eben auch Luc Ferrari, warme, bildstarke Klangwelten, welche oft als «Cinéma pour l’oreille» bezeichnet werden. Im Duo Vague mit seiner Lebensgefährtin Scillia Lorage öffnet er sich der Improvisation. Esseiva arbeitet unter anderem mit Tonband­maschinen und Tonspulen während Scillia ihre Stimme live verschiedenen Manipu­lationen unterzieht.

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