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Die Vorpremiere der Donaueschinger Musiktage.«Ich kenne alle diese Musiker aus verschiedenen Kontexten und habe mit allen schon oftmals gespielt. Ich möchte mich intensiv mit diesen beschäftigen, ihre Spielweise, ihre Spieltechniken studieren und eine Komposition mit folgendem Grundthema erarbeiten: Es soll ein Stück werden das schon angefangen hat und immer so weitergehen kann, in dem jedes Gegenwärtige oder gar nichts zählt, in dem nicht rastlos ein jedes Jetzt als blosses Resultat des Vorangegangenen und als Auftakt zu Kommendem, auf das man hofft, angesehen wird, sondern als ein Zentriertes, das für sich bestehen kann: Es soll als «work in progress» zusammen mit den Musikern entstehen. Ziel ist es, Spielweise und Techniken der Musiker zu studieren, mit ihnen gemeinsam in Einzelproben in ihrem persönlichen Stil Material zu erarbeiten. In den Aufführungen wird dieses Material, dieser «Personalstil» simultan mittels hier beschriebenem System gespielt.Es soll der Begriff der Dauer überwunden, gesprengt werden. Der individuelle Stil der Jazzmusiker, ihr persönlicher Stil steht im Vordergrund. Dauer kann hier Phrasen, Soli, Klangfarben, Patterns oder Ton/Klanggruppen bedeuten. Im Zentrum der musikalischen Überlegung steht der Gegensatz von Punktualität. Was bedeutet Dauer in Bezug auf die Mikroeinheit eines Tones, dem «Punkt» innerhalb einer scheinbar linear fortlaufenden musikalischen Bewegung? Das Jetzt als vertikaler Schnitt einer konventionell als horizontal empfundenen Zeitlinie. Diese Sichtweise wird möglich, wenn nicht dem einzelnen «Punkt», d.h. dem Zusammenspiel von Ton und Zeit, eine Dauer verliehen wird, sondern diese einer Gruppe von «Punkten», also einem «Ereignis» (Phrasen, Soli, Klangfarben, Patterns oder Ton/Klanggruppen) zugeordnet wird. Diese Verschiebung der Zuordnung des Begriffs «Dauer» vom einzelnen «Klang-Punkt» hin zum «Klang-Ereignis» lässt die dem Zeit-Begriff inhärente Paradoxie hervortreten: impliziert dieser immer eine fortlaufende Bewegung im Sinne von Dauer, gibt es dennoch Klang-Ereignisse, die in ihrer ihnen eigenen Dauer einen Zeitpunkt, d.h. ein Stehenbleiben suggerieren. Hier wird also die horizontale Bewegung gleichsam zu einer ihr nicht mehr zuzuordnenden Dauer eingefroren. Das Klang-Ereignis als zeitliche Blase, als punktuelle Dauer innerhalb der gleichzeitig andauernden musikalischen Bewegung.» Michael Wertmüller

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