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«Oft bin ich zur Kuh gegangen, um mich auszuweinen. Wem soll ich’s denn sonst erzählen? Ich schmuse ein bisschen mit ihr, wir rauchen beide eine, sie leckt ein bisschen…» (Übersetzung aus dem Lettischen: Matthias Knoll)

 

Wie sieht lettische Identität aus? Gibt es sie noch? Zwei Jahre haben die SchauspielerInnen des Jaunais Rīgas Teātris sich auf die Suche begeben. Fündig geworden sind sie auf dem Land. Was sie an Geschichten gesammelt haben, vom bäuerlichen Leben und Zusammenleben mit Natur und Vieh, das ist ungemein vergnüglich, und ist abgründig wie schwarze Milch: Wenn die lettische Kuh nicht mehr konkurrenzfähig mit EU-Verordnungen mithalten kann, dann war es das mit dem authentischen lettischen Wesen. Doch noch sind die Dorfschönen in buntblumigen Kleidchen und mit mächtigem Busen doppelt schön: als Hüften und Melkeimer schwenkende Bäuerinnen und als milchspendende Kühe, die mit bepömpster Grazie durch die Bühnenlandschaft staksen. Der Schein trügt nicht, Mensch und Tier bilden hier noch eine Einheit. Und wenn die alte Bäuerin stirbt, dann ist es die Kuh, die sie weinend betrauert.

 

«In diesem poetisch-politischen Stillleben mit Kühen entwickelt sich eine Form von Beschwörung und Magie, wie sie sonst normalerweise nur aus südamerikanischen Traditionen vertraut ist. Macumba, Candomble, Santeria: mit den Kühen des Alvis Hermanis entfesseln sie in Riga an der Ostsee ihre geheimen Kräfte. Und Europa wächst über sich hinaus.» (Deutschlandradio Kultur)

 

Alvis Hermanis, Autor, Regisseur, Schauspieler, seit 1997 künstlerischer Leiter des Jaunais Rīgas Teātris, hat mit seinem Ensemble ein konsequentes künstlerisches Profil entwickelt. Neben Klassikern und Romanadaptionen sind es vor allem Projekte, die eine auf Recherchen gestützte Auseinandersetzung mit der lettischen Gesellschaft vornehmen. Auch mit Gastinszenierungen im deutschsprachigen Theater hat Hermanis sich etabliert. Mit diesen wie seinen hauseigenen Inszenierungen ist er regelmässig zu Gast an internationalen Festivals. Bei AUA war 2006 «Ljod / Das Eis»und 2008 «Vater»zu sehen. Nach 10 Jahren zwischen Riga und Resteuropa zweifelt Hermanis am universellen Kulturtransfer und gibt sein Gastarbeiterdasein im ausländischen Sprechtheater auf. In Zukunft will er sich auf die Arbeit im lettischen Zuhause konzentrieren, wo ihm der soziokulturelle Kontext keine Grenze der Verständnismöglichkeiten setzt.

 

Mit: Jana Civzele, Sandra Zvigule, Iveta Pole, Kristine Kruze, Elita Klavina, Vilis Daudzins. Regie: Alvis Hermanis. Licht: Lauris Johansons. Sound: Gatis Builis. Requisite: Linda Zaharova.

 

Publikumsgespräch: Sa, 4. Mai, im Anschluss an die Vorstellung.

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