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Voguing ist ein Lebens- und Tanzstil!

In den Communities von Harlem/New York nahm die Voguing-Kultur in den 1960ern Jahren ihren Ausgang. Über die LGBTQ-Community hinaus wurde Voguing durch den Film «Paris is Burning» (1990) von Jennie Livingston und Madonnas Hit «Vogue» (1990) bekannt. Seitdem breitet sich Voguing global aus. Der Tanzstil Voguing wird sowohl in Performances auf der Bühne verhandelt, als auch in Tanzstudios und Workshops erlernt.

Das Herzstück des Ballrooms ist Voguing!

Die Performer*innen des Voguing treten im Ballroom auf einer laufstegähnlichen Bühnenfläche in schrillen Outfits gegeneinander an. Dabei verhandeln sie in den einzelnen Kategorien Genderrollen der Gesellschaft und solche, die diese gedanklich und performativ erweitern. Der Umgang mit Kostümen und das Einnehmen von Modelposen gehören dabei zu den konstitutiven Elementen des Voguing. Dennoch zeigen sich im Voguing nicht nur die Abbilder der Modelposen. Voguing ist mehr als nur das tänzerische Aneinanderfügen von Posen, denn mittels des Kostüms und der Selbstpräsentation werden Geschlechteridentitäten ausgelotet. Ausserdem zeigt sich innerhalb des Ballrooms ein differenziertes Verständnis gegenüber Machtstrukturen, wie sie sich in den gesellschaftlichen Kategorien von Klasse und Race widerspiegeln.

Ausgehend von dem Film «How Do I Look» (2006) von Wolfgang Busch, einem Mitglied der Ballroom-Community, wird Voguing als subkulturelle Lebens- und Tanzpraxis dargestellt. «How Do I Look» lässt Performer*innen in Erscheinung treten, um deren Attitude auf dem Runway zu zeigen. Außerdem erzählen die Protagonist*innen selbst die Geschichte des Voguing. Dem Film liegt folgender Gedanke zugrunde: «We keep our legacy alive by recording our history from within the community and nurture our talents, familiy value and culture» (Busch 2006). Darin kommt zum Ausdruck, dass Voguing nicht abseits seiner soziokulturellen und historischen Implikationen betrachtet werden kann. Dieser Dokumentarfilm, der über einen Zeitraum von zehn Jahren die Ballkultur in Harlem und Philadelphia dokumentiert, zeigt, dass Voguing ein Ausdruck der LGBTQ-Community Harlems ist.

Mittels filmischer Schnitte werden schnell hintereinander bizarre, glamouröse und phantasievolle Kostüme auf dem Runway vorgeführt. Die Performances werden von Posen und der Präsentation des Selbst bestimmt. Im Film «How Do I Look» definiert einer der Performer*innen Voguing folgendermaßen: «Voguing at first was presentation, what they call the performance.» Dabei meint die Präsentation das Zeigen des Körpers im Wechselspiel mit dem Kostüm, die im Moment der Aufführung ein neues Körperbild erzeugt. Im Beziehungsgefüge von Körper, Kostüm und Choreografie werden dabei unterschiedliche Geschlechteridentitäten verkörpert.

Im Film «How Do I Look» treten Performer*innen auf, um aus ihrem Leben zu erzählen. Dabei geben sie sowohl Einblicke in eine komplexe Ballroomkultur als auch in persönliche Lebensstrategien. Das Leben in der LGBTQ-Community und die Exklusionsmechanismen der damaligen Gesellschaft begründen die familienähnlichen Gruppierungen, die sogenannten Houses. Diese familienähnliche Struktur zeugt von einer sozialen Verbundenheit und einem gemeinsamen kulturellen Agieren im Ballroom. Der Ballroom ist ein soziales Gefüge mit eigenen kulturellen Praktiken. Herangezogen wird dieser Film hier, um die enge Verbundenheit zwischen Lebensgefühl und Tanztechnik zum Ausdruck zu bringen.

Dem Ballroom liegen ein Gender-System, Stile, Elemente und Kategorien zugrunde. Das von Marlon M. Bailey erforschte Gender-System unterscheidet nicht nur drei Formen von Sex, sondern auch sechs Formen von Gender, die in einer Performance durchaus ineinander übergehen können (2016: 34-36). Geschichtlich betrachtet, kann man drei Stile unterscheiden: Old Way, New Way und Vogue Femme. Es gibt fünf Elemente, die Vogue Femme prägen: Hand Performances, Duckwalk, Catwalk, Floor Performances, Spins und Dips (Moore 2018: 181).

Gerade wenn sich Stile und Elemente einfach aufzählen lassen und diese innerhalb von Workshops erlernt werden können, müssen kulturelle Übertragungen reflektiert werden. Denn der Ballroom und der Tanz Voguing kann «als eine Kultur im Zustand einer Krise, einer Identitätssuche» (Krauß 2015: 98) im homosexuell feindlichen New York der 1960er Jahre betrachtet werden. Der Ballroom erzeugte einen Raum, «der zwar ein Abbild einer tatsächlichen kulturellen Praxis darstellt, nämlich der Modewelt, jedoch dieses bricht, indem sie einen kulturellen Gegenentwurf etabliert und vorherrschende Körperbilder und Rollenvorstellungen auflöst» (Krauß 2015: 98). Moore beschreibt das Problem «with the appropriation of black and brown culture» (2018: 182) als einen «act of body snatching» (ebd.).

Radiobeitrag von Radio RaBe zum Thema Voguing und Interview mit Trajal Harrell

Credits

Quellen:

Bailey, Marlon M. (2016). Butch Queens Up in Pumps. Gender, Performance and Ballroom Culture in Detroit. USA: The University of Michigan Press. (4. Auflage).

Busch, Wolfgang (2006). How Do I Look. Art From The Heart LLC.

Krauß, Jutta (2015). Voguing – Linien im Raum. In Bäcker, Marianne; Schütte, Mechthild (Hg.) (2015). Tanz Raum Urbanität. Leipzig: Henschel Verlag.

Lawrence, Tim (2011). ‚Listen and you will hear all the houses that walked there before’: A history of drag balls, houses and the culture of voguing. In Baker, Stuart (2011). Voguing And The House Ballroom Scene Of New York City 1989-92.

Livingston, Jennie (1990). Paris is Burning. Love Films

Moore, Madison (2018). Fabulous. The Rise Of The Beautiful Eccentric. New Haven and London: Yale University Press.

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