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Ein junger Tänzer aus Ecuador rekonstruiert deutschen Ausdruckstanz. Fabian Barba hat sich Soli von Mary Wigman angeeignet und bringt so eine Ikone der deutschen Tanzmoderne als Kunst-Figur auf die Bühne. Sein Reenactment lässt die Tänze, die alle in den 1920er Jahren entstanden sind, jung, lebendig und gleichzeitig merkwürdig distanziert erscheinen. Fabian Barbas Auseinandersetzung mit Mary Wigman begann, als er sie zum ersten Mal auf Video ihre Soli tanzen sah. Es sei ein unheimliches Erlebnis gewesen, erinnert er sich. Denn was er da sah, kam ihm eigenartig bekannt vor und war ihm trotzdem fremd. Fremd waren ihm diese Tänze, weil er sie mit den Augen eines an Anne Teresa De Keersmaekers Ausbildungsstätte P.A.R.T.S. in Brüssel geschulten zeitgenössischen Tänzers anschaute und somit auch aus einer zeitlichen Distanz von gegen hundert Jahren. Gleichzeitig aber erinnerten sie ihn an seine Ausbildung in Ecuador. Der zeitgenössische Tanz in Ecuador, das ist seine These, habe mehr Affinität zum Ausdruckstanz im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts als zu anderen historischen Tanztraditionen. Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland hatten die moderne Tanzform in die verschiedenen Länder Lateinamerikas gebracht, und dort wurde die Tradition weiter gepflegt und entwickelt. Das Unheimliche der ersten Begegnung war Auslöser für Fabian Barbas Nachforschungen nach etwas, das ihn anging, das er aber nicht verstehen konnte. Und das Ergebnis ist „A Mary Wigman Dance Evening“. Gezeigt werden Tänze aus dem Zyklus „Schwingende Landschaft“, aus „Visionen“ sowie die berühmte „Drehmonotomie“ aus „Die Feier“Mary Wigman (1886-1973) war eine der einflussreichsten Pioniere des rhythmisch-expressiven Ausdruckstanzes, der in Ablehnung des klassischen Balletts um 1910 entstand und in den 1920er Jahren seine Blütezeit hatte. Sie war eine Schülerin von Rudolf von Laban und arbeitete während des 1. Weltkriegs als seine Assistentin in der Schweiz. 1920 gründete sie die Wigman-Schule in Dresden, das rasch zum Zentrum für die Bewegung des deutschen Ausdrucktanzes wurde. In ihren Tänzen suchte sie nach Raumvermählung, wie sie das nannte: eine Verbindung des von innen her rhythmisch bewegten Körpers mit dem Raum, den sie als aktiven Partner erlebte. Sie wurde zum Idol einer Tanzbewegung, welche die Unterwerfung unter die Musik ablehnte. Sie unternahm ausgedehnte Tourneen durch Deutschland, nach London und 1930 in die USA, wo sie unter anderen den Zyklus „Schwingende Landschaft“ zeigte. Berichte in der amerikanischen Presse über diese Tournee haben Fabian Barba zu seiner Recherche inspiriert. Er wollte wissen, was passiert, wenn ein Tanzpublikum der frühen 21. Jahrhunderts mir Repräsentations-Formen konfrontiert wird, die längst Geschichte geworden sind. Dazu bedient er sich einer heutigen Arbeitsweise, die er mit Mary Wigmans Arbeit verbindet: Reenactment. Der Tanz wird wieder-aufgeführt, so, wie er sich damals hätte präsentieren können. Das unterscheidet ihn von einer blossen Kopie des Schrittmaterials. Klar ist, dass es ein Wieder-Aufführen eines Geschichte gewordenen Ereignisses ist – schon allein der Geschlechtsunterschied schafft Distanz. Fabian Barba wurde 1982 in Quito und trainierte bis 2003 an verschiedenen ecuadorianischen Tanz- und Theaterkompanien. Dann zog er nach Europa und studierte an der Schule P.A.R.T.S. in Brüssel. Dort traf er auf Marisa Cabal, Tuur Marinus, Franziska Aigner und Gabriel Schenker, mit denen er das Künstlerkollektiv Busy Rocks gründete. Für sein Projekt „A Mary Wigman Dance Evening“ wurde er von den ehemaligen Wigman-Schülerinnen Susanne Linke, Irene Sieben und Katharina Sehnert, beraten.FDurant ses études, le jeune danseur/chorégraphe équatorien Fabián Barba se prend de fascination pour l’œuvre d’une des pionnières de la danse contemporaine: la danseuse allemande Mary Wigman. Au début des années trente elle traversa l’océan Atlantique pour la première fois avec ses récitals de danse expressionniste. Elle devait changer le paysage de la danse aux États-Unis pour toujours et jusqu’à maintenant influence la scène artistique en Equateur. Durant ses études, Fabián Barba commence à travailler sur «Schwingende Landschaft», un cycle de danse comprenant 7 solos datant de 1929. Il reconstruit trois d’entre eux à l’aide du matériel visuel personnel de Mary Wigman. Pour «A Mary Wigman dance evening», Barba cite une grande partie de l’œuvre de Wigman. Le défi pour Barba est la tension entre sa reconstitution et l’original.EDuring his studies the young Ecuadorian dancer-choreographer Fabián Barba became fascinated by the work of one of the pioneers of contemporary dance: the German dance artist Mary Wigman. At the beginning of the thirties she crossed the Atlantic Ocean for the first time with her expressionist dance recitals. Wigman was to change the dance landscape in the United States forever and up till now influences the artistic scene in Ecuador. During his studies Fabián Barba started to work with Wigman’s Schwingende Landschaft, a dance cycle comprising seven solos from 1929. He reconstructed three of them, using Wigman’s own film material. For „A Mary Wigman dance evening“, Barba quotes from a wide selection of Wigman’s work. The challenge for Barba is the tension between his reconstruction and her original.

Credits

Konzept, Tanz: Fabian Barba. Produktion: K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg. Koproduktion: WP Zimmer Antwerp, P.A.R.T.S. Brussels, Kaaitheater Brussels, Fabrik Potsdam im Rahmen von Tanzplan Potsdam: Artists-in-Residence. Unterstützt von: PACT Zollverein Essen, Mary Wigman Gesellschaft. Executive Producer: Caravan Production vzw. Fabián Barba ist Mitglied des Busy Rocks Kollektiv, zusammen mit Marisa Cabal, Tuur Marinus, Franziska Aigner und Gabriel Schenker.

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