Chiyoko Szlavnics, Immortal Beginnings (2021) UA
Catherine Lamb, Curva Triangulus, Neufassung (2021) UA
Das Stimmungssystem in der Musik ist mindestens seit der Antike Gegenstand von Experimenten: der Umstand, dass aus einer Folge von reinen Intervallen eine unreine Oktave resultiert, beschäftigt Theoretiker und Praktiker der Legende nach seit Pythagoras. In der Renaissance blühen die Lösungsansätze auf – kurz gefasst: ein Tonsystem mit 12 Stufen pro Oktave ist bei weitem nicht ausreichend, um die verschiedenen Stimmungssysteme umzusetzen, entsprechend wurden neue Instrumente entwickelt. Von Nicola Vicentino (1511-1576) ist das Arciorgano überliefert. Inspiriert von der antiken Enharmonik, welche kleinere Intervalle als den Halbton benutzt, konstruierte er das Instrument mit 36 Tönen pro Oktave, welches die damalige mitteltönige Stimmung transponierfähig erweiterte. Das Thema wurde in der Renaissance bei weitem nicht abschliessend behandelt. In der heutigen Kompositionspraxis ist es Standard, von den zwölf gleichstufigen Tönen etwa des Klaviers abzuweichen. Mit den Stücken von Catherine Lamb und Chiyoko Szlavnics spielen wir zwei Komponistinnen, die sich intensiv mit Tonsystemen auseinandersetzen. Nicht um der Theorie willen, sondern um daraus ganz eigene Klangwelten zu erschaffen. Um diese Musik überhaupt spielen zu können, ersetzen wir das Klavier und die moderne Harfe durch das Arciorgano und eine Barockharfe. Durch die Zusammenarbeit mit dem Basler Kollektiv Studio 31+ erleben wir in dem Projekt musikalische Forschung hautnah: durch den engen Austausch der Komponistinnen mit der Forschungsabteilung der FHNW kann Proton wegweisende Musik des 21. Jahrhunderts zum Klingen bringen und ist am Puls der Zeit oder vielleicht sogar vielmehr Impulsgeber.
Das Kollektiv Studio 31+ besteht aus Musiker*innen, Wissenschaftler*innen, Komponist*innen und Instrumentenbauern. Es forscht und dokumentiert im Kontext der Tonerweiterung innerhalb einer Oktave. Die Zusammenarbeit mit Studio 31+ ist vorerst auf zwei Saisons geplant: 2022 sollen Werke von Johannes Caspar Walter, Pascale Criton und Mark Sabat (Planungsstand November 2020) für Arciorgano und das Ensemble Proton Bern zur Uraufführung gelangen.
Allgemeine Maskenpflicht.
Flöte: Bettina Berger. Oboe: Martin Bliggenstorfer. Klarinette: Richard Haynes. Fagott: Elise Jacoberger. Tripelharfe: Vera Schnider. Arciorgano: Samuel Fried. Violine: Maximilian Haft. Violoncello: Jan-Filip Ťupa.
Foto: Remo Ubezio