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Bereits zum fünften Mal erkundet die Dampf­zentrale an der Langen Nacht der elektronischen Musik das weitläufige Gebiet zwischen elektronischer Komposition und den verschiedenen Facetten experimenteller elektronischer Musik und deren Überschneidung mit der Clubkultur. Auch dieses Jahr wollen wir als Einstimmung in die Sommerzeit wieder den elektronischen Klängen einer ausgesuchten internationalen Gilde von massgebenden und einflussreichen Musiker­Innen und KomponistInnen lauschen.

Phill Niblock & Konus Quartett
Phill Niblock ist mit seinen 80 Jahren einer der ältesten aktiven Vertreter der experimentellen Musik. Der New Yorker gehört zu den Minimal Music-Komponisten der ersten Stunde, ist aber – gleich wie Charlemagne Palestine – erst in den letzten 15 Jahren einem grösseren Publikum bekannt geworden, vor allem seit er beim renommierten englischen Label «Touch» neben Artisten wie Jim O’Rourke, Fennesz, Biosphere und Oren Ambarchi seine Werke veröffentlicht. Er kon­zipiert monumentale Klangwände, basierend auf akustischen Instrumentalsounds. Seine gewaltigen Drones sind also in keiner Weise elektronisch generiert, sondern auf bis zu 24 Spuren geschichtete, minutiös arrangierte Klänge herkömmlicher Instrumente oder Stimmen. Die dadurch entstehenden Obertöne und Interferenzen erschaffen ein Klanggebäude, das Raum und Zeit aus den Angeln hebt.

In seltenen Fällen tritt Niblock zusammen mit Livemusikern auf, notabene denjenigen, die die Instrumentalbasis für ein Stück geliefert haben. Letzten Winter wurde «To Two Tea Roses» (2012) explizit für das Berner Konus Quartett (Christian Kobi, Stefan Rolli, Fabio Oehrli, Jonas Tschanz) eingerichtet und neu aufgenommen. An der Langen Nacht nun kommt es zur Uraufführung. Dabei spielt das Konus Quartett mit und gegen seine eigenen vorproduzierten Sounds, die Niblock hinter dem Mischpult zu einem seiner entrückenden Klangmonolithen spinnt.

Cut Hands
Cut Hands ist der in Edinburgh lebende William Bennett. Dieser gründete 1980 die Band Whitehouse, eines der radikalsten musikalischen Projekte der jüngeren Musik­geschichte. Bereits auf den letzten drei Whitehouse-Alben tauchten neben harscher Elektronik auch perfekt eingebettete Klänge afrikanischer Perkussionsinstrumente auf. Sein Interesse für die afrikanische Kultur hat Bennett im vorletzten Jahr dazu bewogen, sein erstes Soloprojekt in’s Leben zu rufen. Cut Hands trägt den Geist von Whitehouse und ihrer «power electronic» in gewissem Grade weiter, wird aber vor allem der selbstgewählten Stilschuble Afro Noise gerecht. Cut Hands Musik ist plakativ, konsequent rhyth­misch, grollend, extrem, indessen eine radikale Gegendarstellung zu einer sich im Kreis drehenden und ermatteten, für westliche Ohren aufbereitete World Music.

Thomas Köner
Der deutsche Klang- und Multimediakünstler Thomas Köner machte erstmals 1990 von sich reden, als die erste einer Reihe CDs erschien, mit denen er eine neue Art des Reduktionismus begründete. Seine Musik ist unaufdringlich, aber körperlich erfahrbar. Zwischen 1996 und 1999 veröffentlichte er parallel dazu im Duo Porter Ricks stilbildende Dub Techno-Veröffentlichungen. Seine Soloarbeiten hat Köner oft in Verbindung gebracht mit kalten, winterlichen Landschaften, sei dies mit konkreten Bezügen zur Arktis (CD-Titel «Permafrost» oder «Nuuk»,  Bilder einer Polarexpedition auf dem Album «Nunatak Gongamur») oder mit seinen Video­installationen «Suburbs of the Void» und «Banlieue du vide». Letztere war 2004 am Belluard Festival in Fribourg zu sehen und gewann bei den Prix Ars Electronica eine Auszeichnung. Im gleichen Jahr gewann er auch den Deutschen Klangkunst-Preis des WDR. Wir freuen uns, Thomas Köner fast 20 Jahre nach seinem Aufritt in der Kunsthalle Bern, wieder einmal in die Hauptstadt zu bringen.

AGF
Die ex-Berlinerin Antye Greie ist eine der buntesten Figuren in der elektronischen Musik abseits des Mainstream. Ihre Karriere begann im Duo Laub, mit dem sie noch im deutschsprachigen elektronischen Pop verordnet werden konnte. Solo, als AGF, begann sie vor gut einem dutzend Jahren mit einer experimentellen Verbindung von elektronischer Musik und Sprache/Gesang zu arbeiten. Ihre Stücke – meist in Popsong-Länge – haben im Ansatz meist eine rhythmische Struktur, die jedoch vertrackt und verzahnt ist und kaum je in einen Groove verfällt. Die Schnitt­stelle zwischen Pop und experimenteller Musik besetzt sie hervorragend. Im vorletzten Jahr veröffentlichte sie mit «Gedichterbe» ein ambitioniertes Werk, welches Gedichte – von Rimbau und Rilke bis Ulrike Meinhof, gelesen von Barbara Morgenstern, Gudrun Gut, Ellen Alien und AGF selbst – musikalisch umsetzt. Seit ein paar Jahren lebt sie zusammen mit dem ebenfalls in der elektronischen Musik tätigen Finnen Sasu Ripatti (alias Vladislav Delay und Luomo) und ihrem gemeinsamen Kind in Finnland. 2004 gewann sie bei den Prix Ars Electronica einen «Award of distinction in digital music».

DJ Pragajena
Der deutsch-kroatische Plattensammler, Labelmanager und Musikfanatiker Marc Milohnic gestaltet die Konzertpausen und die Nachtstunden danach.

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