Barbara Bleisch trifft

Wer über die Kulturgeschichte der Vulva promoviert und sich mit der nicht selten die Gemüter erhitzenden, weiblichen Brust auseinandersetzt, scheut nicht vor Diskussionen zurück. Mithu Sanyal, Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin, liefert Stoff zum Nachdenken und nimmt sich so komplexen Themen wie Geschlecht, Identität, Sexualität oder Rassismus an, klug und umsichtig, vor allem aber auch mit sehr viel Humor.

In ihrem Roman «Identitti» rollt Mithu Sanyal die Debatten um die Identitätspolitik neu auf und stellt Fragen, die verwirren: Wenn es Transgender gibt, warum dann nicht auch Transrace? Ist „Race“ nicht genauso wie das Geschlecht sozial konstruiert? Kann ich also auch für mich beanspruchen, mit meiner Hautfarbe nicht übereinzustimmen? Ist Identität allein ein Konstrukt – und zwar eines ganz nach meinem Gusto? Barbara Bleisch diskutiert mit Mithu Sanyal Chancen und Grenzen der Identitätspolitik und lotet mit ihr aus, wie wir im Gespräch bleiben können, auch wenn wir einander nicht verstehen, und worin Verständnis im Kern bestehen müsste.

«Barbara Bleisch trifft» – ist der Titel einer Gesprächsreihe in der Dampfzentrale Bern. Und der Name ist Programm: Viermal im Jahr gehört die Bühne der bekannten Philosophin und Autorin Barbara Bleisch. Sie trifft jeweils eine inspirierende Persönlichkeit ihrer Wahl aus Kultur, Politik, Kunst und Wissenschaft zum Gespräch über das aktuelle Zeitgeschehen und erkundet die Denkräume und Erfahrungswelten ihrer Gäste. In den Gesprächen wird Unbequemes aufgegriffen und werden Fragen zu Ende gedacht – tabulos, ehrlich und spektakelfrei.

Auch das Publikum ist gefragt: Ein Zettelkasten wird zur analogen Kommentarspalte umfunktioniert, in der sich die Zuhörenden einbringen können, frei von digitalem Schnickschnack und ohne sich im Saal exponieren zu müssen.
Die diesjährige Gesprächsreihe mit den Gäst*innen Jonas Lüscher, Cédric Wermuth und Şeyda Kurt schliesst mit Mithu Sanyal, bevor sie 2023 in die dritte Runde startet.

Mithu Sanyal wurde 1971 als Tochter einer polnischen Mutter und eines indischen Vaters in Düsseldorf geboren. Ebenfalls in Düsseldorf studierte sie deutsche und englische Literatur und promovierte 2009 über das weibliche Genital. Die Schrifstellerin, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin schreibt für verschiedene Medien wie den WDR, die taz, die Frankfurter Rundschau oder für den britischen Guardian. Nebst mehreren Sachbüchern u.a. «Vulva. Das unsichtbare Geschlecht» oder dem preisgekrönten Werk «Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens» hat sie mit «Identitti» 2021 ihren ersten Roman publiziert. Dieser wurde mit dem Ernst Bloch Preis und dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Im Oktober erschien das Buch «Mithu Sanyal über Emily Brontë», in dem die Autorin mitreissend über die lebensprägende Kraft von Brontës «Sturmhöhe» schrieb.