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Publikumsgespräch: Sa, 7. Mai im Anschluss an die Vorstellung.Eine Lehrerin versucht ihrer integrationsresistenten Klasse mit Migrationshintergrund Friedrich Schiller und seine idealistischen Vorstellungen vom klassischen deutschen Theater nahe zu bringen. Doch trotz aller pädagogischer Leidenschaft fruchtet die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts nicht. Plötzlich ist eine Pistole im Spiel. Mit vorgehaltener Waffe treibt die Pädagogin ihre Schüler durch die Schillerdramen und feuert sie zu Schiller’schem Pathos ohne türkischdeutschen Akzent an. Und da der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt, wird das Klassenzimmer zur Bühne. Mit der Geiselnahme hebt nicht nur ein abgründiger Tanz der Genres vom Thriller über die Komödie zum Melodrama an, sondern auch die lustvolle Dekonstruktion aller vermeintlich klaren Identitäten. Und siehe da, Schillers Texte klinken sich in diesem Kontext wundersam in die gegenwärtige «Islamdebatte» ein.«Ich habe grosse Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre, ich will sie geltend machen. Sie setzte uns nackt und armselig ans Ufer dieses grossen Ozeans Welt – Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu plump ist, geh unter! Sie gab mir nichts mit. Wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Grössten und Kleinsten. Frisch also! mutig ans Werk! Ich will alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, dass ich nicht Herr bin.» (Franz Moor in «Die Räuber»)«Der Plot hat immer eine neue Überraschung parat, um die gerade zu voller Authentizität aufgeblühten Klischees wieder aus den Angeln zu heben ( . . . ) Terroristisches Aufklärungstheater, das keinen Widerspruch fürchtet und deshalb auch niemandem in die Tasche lügt.» (Jury Berliner Theatertreffen 2011)«‹Verrücktes Blut› ist das Stück der Stunde: ein Spiel, das mit sozialem Sprengstoff jongliert und dabei sein Vorbild, den Film «La Journée de la Jupe» von Jean-Paul Lilienfeld, nach dem der Regisseur Nurkan Erpulat und der Dramaturg Jens Hillje die Geschichte von der Banlieu nach Berlin verlegen, weit hinter sich lässt.» (FAZ)Nurkan Erpulat, 1974 in Ankara geboren, studierte Schauspiel in Izmir und Regie an der Hochschule Ernst Busch Berlin, seit 2007 gehört er zu den Shootingstars des deutschsprachigen Theaters. Seine Inszenierung «Jenseits – Bist du schwul oder bist du Türke?» war bei Aua 2009 zu Gast. «Verrücktes Blut» ist zum Berliner Theatertreffen 2011 eingeladen und für den Friedrich-Luft-Preis nominiert. Das Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg wird als Theater mit postmigrantischer Kulturpraxis mit einem Netzwerk an KünstlerInnen der zweiten und dritten Generation künstlerisch von Shermin Langhoff geleitet. In dieser Funktion wurde sie 2011 mit dem europäischen Kulturpreis KAIROS ausgezeichnet.

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