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Der Faun ist schwul, verträumt, nackt und radikal eigenwillig! Olivier Dubois deckt es in seiner neuen Kreation «Faune(s)» auf. Das Stück verfolgt eines der frühen avantgardistischen Ballette des 20. Jahrhunderts: Waslaw Nijinskis «L’après-midi d’un faune», das für Djaghilews Ballets Russes kreiert wurde und 1912 als «Skandalerfolg» in die Tanzgeschichte einging. Der französische Tänzer und Choreograf Olivier Dubois erarbeitet mit «Faune(s)» in vier Fassungen eine (Re)Interpretation des berühmten Werkes. Ausgehend von der Rekonstruktion des Originals durch die Choreografin und Tanzhistorikerin Dominique Brun entstehen Olivier Dubois’ eigene Neuinterpretation sowie Versionen der Theaterregisseurin Sophie Perez und des Filmemachers Christophe Honoré, alle mit Dubois in der Hauptrolle. «Faune(s)» ist eine künstlerische Reflektion über das tanzhistorische Erbe und leibhaftige Transformation des Interpreten, der im Akt des Einverleibens der Rolle verschwindet und sich neu erfindet.Der historische Faden wird heute dort aufgenommen wo man es kaum erwartet hatte: Nijinskis Homosexualität. Der 1912 so revolutionäre Quickie dient heute als Sprungbrett und Inspiration für zahlreiche Künstler. Doch die erotischen Anspielungen Nijinskis, die Kostüme von Léon Bakst, die Fünftonmusik Debussys oder das Verschieben der Figuren wie Reliefs, ohne Sprünge und Perspektive, haben heute keinen Hauch an Skandalösem mehr. Der Faun muss neu erfunden werden, was dem Choreografen Dubois einzigartig gelingt. Der wahre Dialog mit Nijinski beginnt eigentlich erst jetzt.«Faune(s)» ist ein archäologisches und aktuelles, historisches und revolutionäres Projekt zugleich. Dem Künstler geht es darum, Nijinskis Werk mit Respekt, Strenge und Bescheidenheit wieder aufleben zu lassen und damit die Geschichte mit der Gegenwart zu konfrontieren. Der von Nymphen umgebene Olivier Dubois nimmt Nijinskis Rolle als Ikone der Bühnenkunst wieder auf und stellt die Frage des Interpreten ins Zentrum des Projekts: Worin liegt seine Auseinandersetzung, sein Beitrag? In der Tatsache, dass er sich mit einem Faun misst, mit dessen Mythos, mit einer Spitzenleistung, mit der Geschichte einer Kunstrichtung als solchen? Oder in der Idee, zeitgenössische Variationen zu realisieren und die Geschichte für die heutige Bühne zu erschliessen? Oder gar im Widerstand gegen diese Variationen, wenn der Körper sich durch sich selbst aufdrängt und die nötigen Zeichen des Verrats zur Schau stellt? «Das Werk durchqueren, es erschaffen und neu erschaffen. Sich unterwerfen, sich beugen und dennoch alles pervertieren, um dem Werk die Existenz zu ermöglichen …», schreibt Olivier Dubois über seine Lust, mit dem Faun zu kämpfen: ihn also bis zum Exzess verinnerlichen und in diesem Exzess aufgehen. Publikumsgespräch mit Olga de Soto und Olivier Dubois: am Sa 18.10. im Anschluss an die Vorstellung von Olga de Soto, moderiert von Prof. Dr. Gerald Siegmund, ITW Bern

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