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25. Juni 1946, Paris. Die Menschenmenge drängt sich ins Théâtre des Champs-Elysées, um die Premiere von Jean Cocteaus Ballett «Le jeune homme et la mort» zu sehen. Zentrale Figur des Abends ist der erstaunenswerte Tänzer Jean Babilée in der Rolle des jungen Mannes, der aus Liebe stirbt. 57 Jahre nach der legendären, mythisch gewordenen Pariser Premiere von Jean Cocteau begibt sich die spanische Choreografin Olga de Soto auf die Suche nach damaligen Premierenzuschauern und fragt sie nach deren Erinnerungen an den sechs Jahrzehnte zurückliegenden Ballettabend. Die Eindrücke und Emotionen kommen wieder, die Vorstellung lebt in dem Blicklicht wieder auf, in das sich die Zuschauer vor sechzig Jahren im Halbschatten versenkt hatten.De Soto zeichnete die Gespräche auf und montierte sie in «histoire(s)» zu einer filmischen Erinnerungsspur. Die Art und Weise, wie und an was sich die Zuschauer erinnern, beschreibt das Nachkriegs-Paris von 1946, das sich aus den Perspektiven der befragten Premierenbesucher kaleidoskopartig zusammensetzt. Durch die Projektion der unterschiedlichen Erinnerungen entsteht für die Zuschauer eine faszinierende neue Aufführung von «Le jeune homme et la mort», die weder Rekonstitution noch Reinterpretation ist. In ihrer Videodokumentation lässt uns Olga de Soto hören, sehen und fühlen, wie die Zeit vergeht und wie notwendig das Gedächtnis und insbesondere das Tanzgedächtnis ist, um unser Erbe zu hinterfragen, in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. «histoire(s)» ist einfach umwerfend und faszinierend. «Nach jedem Bericht wird die damalige Performance nachgestellt. Die Worte, die Unterbrechungen, die Schweigepausen, die zusammengesetzten Erinnerungsfetzen oder -analysen der acht befragten Personen werden über die ursprüngliche Performance gelegt. Wir tauchen in die Geschichte ein, die Geschichte des letzten Jahrhunderts, der Krieg war gerade vorbei, als das Ballett seine Premiere hatte. Wir tauchen auch ein in die Geschichten der Männer und Frauen, die heute noch am Leben sind. In ihrem Alter sprechen sie natürlich über den Tod, das Hauptthema des Balletts, das sie an einem Abend gesehen hatten, an einem Abend, damals, als sie noch jung waren. Zeit und Erinnerung treffen in ihrer Zerbrechlichkeit, in ihrer wunderbaren Subjektivität frontal aufeinander. Während die acht Portraits sorgfältig skizziert werden, erkennt man deutlich die Konturen der unterschiedlichen, oft brillanten Gesichtspunkte über die Performance im Allgemeinen und warum man sie einfach sehen musste.» (Marie Baudet, La Libre Belgique)«Hier ist die Elektrizität nicht statisch. Sich im Grenzbereich von Genres bewegend, hat Olga de Soto ein kleines Wunder an Menschlichkeit und Sensibilität geschaffen.» (Jean-Marie Wynants, Le Soir)Publikumsgespräch mit Olga de Soto und Olivier Dubois: am Sa 18.10. im Anschluss an die Vorstellung, moderiert von Prof. Dr. Gerald Siegmund, ITW Bern

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